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Ein Tag am Strand

Eine ganze Wand von Basaltsäulen ist an der Straße nach Langaholt schon aus der Ferne sichtbar. 

Wir wollten nach den Wanderungen in den Höhen auch der Küste Islands einen Besuch abstatten. Die Halbinsel Snæfellsnes hat neben dem wolkenverhangenen Gletscher  auch eine raue Brandung zu bieten, in der sich Robben bis zu den dunklen Stränden vorwagen.

Unser Campingplatz grenzte an eine Kolonie Seeschwalben, die sehr Territorial ihre Nistplätze verteidigen und Scheinangriffe auf jedes sich bewegende Lebewesen flogen. Zehn Meter weiter konnten wir unser Zelt ungestört aufbauen.

Nach drei Kilometern Fußmarsch über den Strand lag die erste Robbe faul im Tang und genoss die wenigen Sonnenstrahlen eines wechselhaften Tages. 

Mit den Bergen im Hintergrund zeigte sich am Abend sogar fast ein klassischer Sonnenuntergang. 


Die Flora hier an der Küste wie auch in den Bergen kann nicht durch Größe punkten, sondern mit Hartnäckigkeit in jeder Ritze Halt zu finden und dort trotzdem ein Meer von Farbe zur Blüte zu bringen. Mit etwas Zeit, gutem Licht und Bereitschaft  sich in den Schmutz zu werfen ist man ganz nahe dran.

Húsafell

Der größte Birkenwald der Insel ist für unseren Geschmack keine Reise wert, aber von Husafell aus sieht man die ersten Gletscher – die Vorläufer des Langjökull – und kann auf die Ebene steigen. 


Kurz vor dem Campingplatz fließt das Wasser wie aus dem Nichts und ohne Zufluss aus einer Steinwand, weil sich unter dem porösen Gestein des Lavafeldes darüber eine wasserundurchlässige Schicht befindet und das Regenwasser in den brausenden Gletscherbach fällt.


Die Wanderung am nächsten Morgen führte uns auf den Bærfell, von dem wir einen wolkenverhangenen Blick auf die schneebedeckten Berge hatten. Der Weg verlief über Schotter der unterschiedlichsten Farben und moosige Flächen mit Bodendeckern, die sich dem rauen Klima widersetzen können.
Das erste Schneefeld aus dem vergangenen Winter, das hier oben noch nicht aufgegeben  hat.

Am Horizont liegen die Gletscher zum Greifen nah und doch führt die anspruchvollste Route noch 20 km über die Ebene zum nächsten Gletscher mit dem Namen „Ok“. Wir wollten es am dritten Tag und ohne Wanderstiefel nicht übertreiben und steuerten nur die nächste felsige Erhebung an. 


Ein schöner Ausflug bei dem sich im oberen Teil der Weg verliert und man gezwungenermaßen selbst seinen Pfad durch das Geröll suchen muss – immer darauf bedacht möglichst wenig der spärlichen Vegetation zu stören.

Ab nach Island

Der deutsche Sommer kommt soeben richtig in Fahrt, da fliegen wir in das nass-kalte Island in die Flitterwochen. 

Wir haben einen Mietwagen, in den gerade so eben drei große Koffer passen, wenn man die Rückbank umklappt.  Im Ersten  haben wir unsere Kleidung untergebracht –  die anderen Beiden enthalten unsere Campingausrüstung. Damit wollen wir im Uhrzeigersinn in zwei Wochen rund um die  Insel. Der Himmel wird hier oben derzeit zu keiner Tageszeit richtig dunkel und die Tageszeit lässt sich nicht nach Sonnenstand abschätzen – nur auf die innere Uhr seit dem Aufstehen ist derzeit noch verlass.

Unser Ziel ist es, so viel wie möglich von der Insel aus Feuer und Eis zu sehen und dabei etwas wohlverdienten Abstand zum Alltag zu finden.

Die Sahara bei Erg Chigaga

Ich war noch nie in der Wüste und wusste nicht, dass man nach seinem Besuch einen großen Teil der Sahara mit sich zurück bringt und den Taschen wiederfindet – ob man dies möchte oder nicht.

Wir hatten den Preis für unsere Exkursion schon ausgehandelt und saßen beim Abendessen, als Christina in der Türschwelle stand, die nach einer Panne ihres Busses erst kurz vor der Dämmerung auf unserem Campingplatz nach einem Zimmer suchte. So waren wir zu dritt, die am nächsten Morgen mit unserem Auto nach Süden fuhren, um auf Tuchfühlung mit den Elementen der Wüste zu gehen.

Dies war der Plan:  Wir wollten unser Auto im Camp von Said abstellen und nach einem Dromedar-Ritt mit dem Geländewagen in die entfernten Dünen der Erg Chigaga fahren. Auf Said stießen wir am Ende von Tagounite, als er uns mit seinem Wagen überholte und stoppte. So richtig schien das mit der Anweisung „Said will find you – i will send him a description of your car“ nicht funktioniert zu haben, denn er war uns bereits einige Zeit gefolgt.

Wir kauften zwei 5-Liter-Flaschen Wasser im nächsten Laden für Gemischtwaren und folgten seinem weißen kleinen Renault R4 – in die Wüste. Überraschung! Das Camp war nicht wie angekündigt am Rande der Hauptstraße, sondern bereits 15 Minuten über eine Schotter- und Sandpiste abseits der Straße. Bei der Abfahrt bat er mich eindringlich auf seiner Spur zu bleiben, um nicht im lockeren Sand stecken zu bleiben und ich konnte es mir nicht verkneifen mir kurz etwas Luft über die unerwartete Offroad-Einlage zu machen. Die Entscheidung hätte ich gerne selbst getroffen.

Wir hielten an einer Gruppe Hütten neben einem Dünenfeld. An den Gebäuden kauten und dösten drei Dromedare. Der Willkommenstee stand auf dem Feuer, doch wir waren zu aufgeregt um viel Zeit in der kühlen Hütte zu verbringen. Die Tiere wurden aufgezäumt und wir begannen unseren schwankenden Ausritt. Nach einer dreiviertel Stunde ließen wir uns mitten in den Dünen aus dem Sattel gleiten, um eine Pause von der ungewohnten Schaukelei zu machen. Unter unseren Füßen lag nun diese faszinierende Menge Sand die sich in alle Himmelsrichtungen erstreckte. Unser Karawanenführer begegnete unser Begeisterung über unseren ersten Sahara-Sand mit einem kleinen Nickerchen bei seinen Tieren.

Auf dem Rückweg sah ich bereits aus der Ferne, dass neben unserem Auto nun auch ein weißer Geländewagen stand. Die Namen unserer beiden Begleiter – Fahrer und Begleiter – konnte ich während des Ausflugs noch im Wortlaut wiedergeben, wollen mir aber nun nicht mehr einfallen.

Die großen Dünen der Erg Chigaga liegen noch einmal 50 km von der nächsten Stadt M’Hamid entfernt und diese Strecke fuhren wir nun über die Pisten der Steinwüste nach Westen. Im Norden war stets eine felsige Erhebung am Horizont, die das Tiefland abgrenzt und zur Orientierung hilfreich ist. Flache Hügel wurden von mit einer gleichmäßigen Decke aus Steinen unterschiedlichster Farbe zu sandigen Gräben, in denen auch einige wenige Bäume und Sträucher Fuß fassen konnten.

Immer wieder zogen kleine Sandteufel über den Weg, deren Staub sich auf jede Oberfläche im Wagen, Kleidung und Haut legte.

Der erste Stopp war eine verlassene Oase, die sich am Wegesrand nur durch eine Ansammlung von Dattelpalmen und einer löchrigen Ummauerung verriet. In einem kleinen Loch sprudelte Wasser durch eine Schicht aus Sand und Erde und floss in einem kurvigen Bach in die Oase, um dort wieder von Pflanzen und Sonne geschluckt zu werden. Erst später habe ich gelesen, dass es sich dabei um eine heilige Oase (L’Oasis sacrée d’oum Lâalag) handelt, die Teil eines Nationalparks ist und am Weg nach Timbuktu liegt. So weit hat der Austausch mit unserem Führer leider nicht gereicht.

Bis kurz vor der Oase hatten wir noch kein anderes Fahrzeug gesehen – nur einzelne Hirten, die ihren Ziegen durch die kargen Vegetationsstreifen folgten. Erst kurz vor dem Ziel kreuzten auch andere Besucher der Wüste unseren Weg.

Am Fuße der Erg Chigaga stand unser Lager gleich hinter den ersten Ausläufern der Dünenlandschaft. Als wir eintrafen mussten unsere beiden Schlafhütten und die Gemeinschaftseinrichtung noch aus ihrem „Winterschlaf“ geholt werden, während wir bereits auf den ersten Sandberg kletterten. Jede Öffnung war mit einer schweren Decke vor dem Eindringen von Sand geschützt und ein Pickup mit Tank lieferte frisches Wasser für das Sanitärzelt.

Ich hatte als Gepäck meinen gesamten Fotorucksack mitgebracht und mich in Gedanken bereits vom perfekten Zustand einiger seiner Bestandteile verabschiedet, die ich mit in die Wüste nehmen wollte. Was nützen einem schon Objektive, wenn man sie in einem solchen Moment nicht in die Hand nehmen möchte?

Am Abend nahmen unsere drei Camp-Begleiter die traditionellen Instrumente in die Hand und spielten bzw. improvisierten einige Stücke. Wir konnten uns spontan nur mit einem Weihnachtslied und Fool’s Gardens Lemon Tree revanchieren. Der Sternenhimmel mit Milchstraße thronte über unseren Köpfen – der Mond war noch nicht aufgegangen. Ein toller Moment so weit entfernt von jeder Siedlung nach Oben zu sehen.

Ich habe versucht den Moment mit der Kamera festzuhalten, aber, wie ich daheim feststellte, hätte ich unter den Bedingungen bessere Arbeit leisten können. Die Bilder werden dem Eindruck dieser Nacht nicht gerecht. Kaum hatte ich es mir mit Stativ gemütlich gemacht, zog sich der Mond über den Horizont und verdrängte mit leuchtender Kraft die Sterne auf seiner Himmelshälfte.

Am nächsten Morgen weckten wir uns vor dem Sonnenuntergang und stiegen wieder auf die höchste zu erreichende Düne, um von dort zu beobachten, wie die wachsenden Schatten der Fläche aus Sand wieder eine räumliche Struktur entlockte.

Nach dem Frühstück wurde das Lager wieder für die nächsten Gäste eingemottet und alles im Jeep verstaut. Auf dem Rückweg hielt der Jeep an einem Kindergarten für Dromedare an einem Brunnen. Anders als den männlichen Tieren wird die Freiheit der Jungtiere und Mütter nicht durch Fußfessel eingeschränkt. Man hätte uns auch frische Milch angeboten, hätte sich die Herde an dem Tag ausgiebiger am Wasser bedient. 

Am frühen Nachmittag kam unser eigenes Auto wieder in Sicht – unversehrt, trotz viel Sand in der Luft. Wahrscheinlich hatte der Schmutz der ersten beiden Wochen als Schutzschicht ausgereicht.

Nach einem letzten Tee verabschiedeten wir uns von Said und folgten dem Jeep zurück auf die befestigte Straße nach Zagora, auf der bemerkenswert große Mengen Sand kreuzten. Jede Windböe war auch im Innenraum durch ein Prasseln auf dem Blech zu hören. 

Zagora

Auf der Straße von Ouazazarte nach Südosten zeigt sich der Atlas ein weiteres Mal von einer anderen Seite.

Ein Rastplatz noch vor der durchgehenden Dauerbaustelle im Draa-Tal war für ausgiebiges Picknick geeignet.

Dann folgte ein Slalom zwischen Baumaschinen über alle Straßenbeläge der Welt. Die wahrscheinlich schönere Route durch den kilometerbreiten Palmenwald mussten wir ohne 4×4 leider links liegen lassen. Ich konzentrierte mich auf die Situation rund um das Auto und Andrea beschrieb, was ich gerade abseits der Straße verpasste. 🙂

Unser Campingplatz „Les Jardins de Zagora“ liegt wirklich schön nahe am Zentrum, aber doch abgelegen genug, dass man unter den Palmen Ruhe findet.
Wir trafen unseren Gastgeber und seinen Sohn mit einem Freund der Familie – Ali – an, der in Deutschland studiert hat und als Journalist in der Stadt recherchiert. Wir fühlten uns sehr willkommen und waren auch dem Angebot für unsere Wüstentour zur Erg Chigaga sehr aufgeschlossen. 
Es ist Andrea zu verdanken, dass wir später den Preis mit einigen Gegenangeboten aus der Stadt noch drücken konnten. Dafür mussten wir uns allerdings dort mit einigen „Entertainern“ auseinandersetzen.  

Die Preise hier stechen absolut aus unseren normalen Reisekosten heraus. Gehandelte 2500 Dirham (aktuell 230€) für etwas mehr als einen Tag volles Programm mit einer Übernachtung sind hier der Mindestpreis, den man zahlen muss, ohne Abstriche zu machen. In einer größeren Gruppe wäre noch etwas mehr zu machen.

Dafür reite ich morgen auf einem Dromedar und schlafe in der Wüste unter einem Meer von Sternen. So wird es hier angepriesen. 😉

Heute Abend sind wir zum Abendessen eingeladen und bekommen echte Hausfrauskost. Andrea hofft inständig, dass sie alles mag.

Morgen früh fahren wir bis auf 40km an die algerische Grenze nach M’Hamid und beginnen unser Abenteuer in der Wüste.

Ouarzazate

Von Marrakesch fuhren wir ein weiteres Mal durch den Atlas nach Süden, um als Zwischenstation auf unserem Weg in die Wüste zwei Nächte in Ouazazate zu campieren.

Auf der Straße wir gerade heftig gebaut und für manche Kurve ein Berg versetzt. So hat man den Berg hinauf das Vergnügen mit einer dreispurigen perfekten Asphaltdecke unterbrochen von Baustellen und hinunter eine enge baufällige Straße.

Auf den letzten Kilometern vor der Stadt fährt man durch eine ebene Wüste aus Steinen. Man könnte fast jederzeit abbiegen  und in eine beliebige Richtung bis zum Horizont fahren. 
Ouarzazate liegt an einem größeren See und ist für seine Filmstudios bekannt, deren Kulissen man bereits von der Hauptstraße sehen kann.

Eine Führung geht durch Räume mit Requisiten und Kostümen aus Filmen wie Asterix und Obelix, Gladiator, Königreich der Himmel, Lawrence von Arabien, Die Mumie und dem letzten Ben Hur. Vor einer Woche wurden die Dreharbeiten zur nächsten Staffel Vikings beendet und die Ringgeister durften hier in einer Szene über die Ebene reiten. Unser Guide war sympathisch „Hands on“ – man durfte alles abklopfen und in die Hand nehmen, um Gips von Styropor zu unterscheiden. Die Glanzzeit der Ausstellungsstücke liegt schon etwas zurück, aber wir freuen uns schon darauf die Filme mit unseren Fotos abzugleichen.

Das echte Highlight war aber der zweite der Teil der Studios – die riesigen begehbaren Kulissen in der Wüste, zu denen man sich alleine mit dem Wagen über die Piste aufmachen musste. Wir konnten uns in vollkommener Einsamkeit die abenteuerlichen Konstruktionen ansehen und auf allen Ebenen begehen. Eine Abnahme vom TÜV überstehen die Gerüste nicht mehr und man sollte seine Schritte und Tritte wohl überlegen.

Aus jeder Perspektive gab es ein anderes Mauerwerk zu sehen, womit die einzelnen Höfe universell verwendbar sind. 

Zwei weitere Kulissen noch weiter draußen waren ebenfalls interessant aber bereits sehr verfallen. Außerdem war es wirklich sehr sehr warm.

Wir besichtigten im Anschluss noch die Kasbah im touristischen Kern der Stadt und setzen uns dann zum See ab, um im Schatten eines Baumes den Nachmittag über unseren Büchern zu verbummeln. 

Ich sitze bereits an Andreas Büchern und kann mich für schwere Schicksalsliteratur nicht so recht begeistern. 😛
Aber der nächste Thriller wartet bereits auf mich – nur noch wenige Seiten sind zu schaffen.
Unserer Campingplatz liegt sehr abgelegen, ist aber wirklich hübsch angelegt. Es patrouilliert ein Pfau mit seinen drei Damen, zwei Hunde, Hühner und einige Katzen auf dem Areal -eingerahmt von einer Lehmmauer und Dattelpalmen.

Hinter unserem Zelt fermentiert die Ernte auf einer Plane unter einem Olivenbaum und verbreitet einen süßen Duft. Am Abend gab es auch den ersten ernsthaften Versuch eines schönen Sonnenuntergangs, der die Wolken in Rottönen malte.

Auf den Toubkal und zurück

Eines vorweg: Wir hatten keine Ahnung, auf was wir uns mit diesem Berg eingelassen hatten. Nie hatte jemand von uns so etwas versucht. Die Höhe war eine ganz neue Variable.

Wir brachen um 9:00 nach Aroumd auf – dem letzten Dorf im Tal und auch Ende für jedes von einem Motor angetriebene Fortbewegungsmittel.
Ein letzten Lastwagen mit Äpfeln kam uns schaukelnd über das breite Flussbett aus grauen Steinen entgegen. Ohne Wasser kann man sich nur erstaunt auszumalen, was hier zu einer anderen Jahreszeit für Wassermassen transportiert werden.

Wir waren nicht alleine unterwegs. Auch eine Gruppe konnten wir am ersten Unterstand überholen, wo ein Händler seine Barren aus Nüssen und Honig in Probierportion verteilte. 
Die gängige Praxis ist es, sich einen ortskundigen Guide für den kompletten Aufstieg zu engagieren und sein Gepäck von einem Maultier tragen zu lassen. Auf diesem Weg wird auch alles Andere auf die beiden Hütten und die wenigen Verkaufsstände am Weg getragen. 

Wir waren – nicht verwunderlich – ohne Begleitung und mit zwei Rucksäcken (groß und klein) unterwegs. Darin unsere Schlafsäcke, Stöcke, Wasser, Proviant für den Weg und Winterkleidung.

Der Weg zur Berghütte (11 km) geht von 1740m hinauf zu 3200m. Mit Pausen brauchten wir dazu fünfeinhalb Stunden, während denen unsere Geschwindigkeit immer weiter abnahm. Wir gingen über staubige Pfade und kletterten über Felsen. Manchmal geht es entlang der Bergflanke oder in Serpentinen hinauf. 

Nach jeder Biegung erwarteten wir, einen ersten Blick auf unser Ziel zu erhaschen und wurden unzählige Male enttäuscht. Das Tal ist zu verwinkelt und auch auf gerade Sicht würde sich immer ein großer Felsen vor die beiden Häuser schieben.

Als wir endlich durch die abgestellten Maultiere schlichen und auch das luxuriösere der Häuser hinter uns gelassen hatten, wartete ein Doppelbett in einem 16er Zimmer auf uns. Wir hatten aus anderen Berichten mit einem großen Schlafsaal und einer eisigen Nacht gerechnet. Die Berghütte wird übrigens vom französischen Alpenverein betrieben. Im Speisesaal brannte ein Feuer im Kamin und für 10 Dirham gab es eine warme Suppe mit Brot, ergänzt durch ein mitgebrachtes Brötchen mit Avocado.

Auch wenn sich die Herbergen im kargen Graubraun der Erde nur durch ihre Form absetzen, sind sie eine Oase in den Bergen.

Der Blick auf den weiteren Weg war abschreckend:

Die Größenverhältnisse lassen sich nur schwer als Bild wiedergeben. Bereits am unteren Ende des grauen Pfades lassen sich Menschen nur noch als Punkte erkennen. Was hier wie grauer Sand wirkt ist ein Feld von Steinen größer als Fußbälle. 

Die Nacht war ein Albtraum – die letzten gingen gegen 10 zu Bett, die ersten Wecker gingen um 5 und mindestens drei Schnarcher rangen um den Lautstärkerekord. Kaum Schlaf, nur immer wieder kurze Phasen der Ruhe.

Wir brachen als eine der Letzten um 8 Uhr auf und verliefen uns gleich eine halbe Stunde auf der Suche nach der richtigenBachüberquerung. UPS.

Dann ging meinem Telefon der Saft aus, was bedeutet, dass am Ende dieses Eintrags zunächst (bis nach der Rückkehr) kein Foto von der Spitze stehen wird. 

Mit 4,5 Stunden für die letzten knapp 1000 Höhenmeter gewinnen wir bestimmt keinen Blumenstrauß, aber bei einer Strecke von nur 3,1 km kann man sich die Steigung leicht ausrechnen. Auf lockeren Geröll machten wir jeden Schritt zweimal und wenn der Pfad nicht zu erkennen war, suchten wir uns einen eigenen über die Felsen. Irgendwann kamen wir am ersten Flecken gefrorenen Schnees vorbei und die kleinen Wasserfälle endeten in einem Becken aus Eis. 

Wir sprachen einen Wanderer an, der bereits auf dem Rückweg war, und fragten, was denn noch alles vor uns läge? Er antwortete: „Das möchtet ihr nicht wissen. … Aber es lohnt sich!“ 

Wir hatten zu diesem Zeitpunkt, ohne es zu wissen, noch nicht die Hälfte des Weges hinter uns. Vielleicht war es die Höhe, vielleicht die ungewohnte Belastung – nach einer Pause gab es keine Erholung mehr. 

Vor dem Gipfel – wir konnten gerade einen ersten Blick auf die andere Seite des Massives werfen – waren wir kurz davor umzukehren. Die nächste Steigung schien zu lang und steil. Einen geteilten Erdnussriegel später gingen wir im bewährtenSchneckentempo weiter. Auch auf den letzten Metern vor der Pyramide aus Metall, die den Gipfel markiert, gab es keinen Zieleinlauf.

Ich warf meinem Rucksack zu Boden und ließ mich auf die umliegende Mauer fallen. Endlich hatten wir es geschafft, der Toubkal war erklommen!

Wir waren nicht alleine auf dem Gipfel. Ein junges marokkanisches Paar wartete verzweifelt auf eine funktionierende Kamera, um auch ihr eigenes Zielfoto zu bekommen. Auch ihr Mobiltelefon hatte es nicht mehr bis zum Gipfel geschafft. Den Gefallen tat ich ihnen natürlich gerne – die Zusendung der Fotos muss aber noch warten, vorausgesetzt ich bekomme sie sicher nach Deutschland zurück.

Vom Gipfel konnte man bis zu den Randgebieten von Marrakesch im Norden und bis Ouazazarte im Süden sehen. Im Westen schoben sich bereits die dunklen Wolken über die Berge, denen wir in den Bergen nicht begegnen wollten.

Beim Abstieg stellte sich heraus, wie unterschiedlich ein Weg aus zwei Richtungen zu begehen sein kann. Man könnte nun zwar die ausgetretenen Wege besser erkennen, aber auch manche Stellen musste mit einem Sprung überbrückt werden, die wir zuvor geklettert waren. Die Stöcke waren dabei eine große Hilfe. 

Wir gewannen bald Abstand von unseren Begleitern, die ihrerseits Probleme mit dem Gleichgewicht an abschüssiger Stelle hatten und ihre eigene Tandem-Technik entwickelten.

Zurück an der Berghütte hatten wir noch den kompletten Weg zurück nach Imlil vor uns, ohne an diesem Tag ausreichend gegessen zu haben. Der Grund war das Fehlen eines Geldautomaten in Imlil, so dass wir ohne längere Autofahrt über bereits beschriebene Straße mit unserer Barkasse haushalten mussten.

Also gab es hier noch ein spätes geteiltes Mittagessen aus Salat und einer Schale Nudeln, während der wir darauf warteten einen Zettel mit meiner Email-Adresse an die beiden Nachzügler zu überreichen. 

Die nächsten Stunden liefen wir uns, unter einer Wolkendecke und bei einsetzendem Regen, die Füße wund und passierten dabei alle Stationen des vergangenen Tages erneut. Manche Abschnitte waren uns gänzlich anders in Erinnerung. Wir marschierten durch Hänge von Ziegenherden jeder Farbe, lieferten uns ein stilles Wettrennen mit einem Maultier, während dem wir uns jeweils einmal überholten und das wir letztendlich doch verloren.

Die Dämmerung setzte ein und ab dem Flussbett vor Aroumd stolperten wir in kompletter Dunkelheit auf der steinigen Straße – nur erhellt von einem vollen Mond hinter einer Wolkendecke und einigen Autoscheinwerfern. Die Taschenlampen lagen im Zelt.

Wir hatten wir den Abend Couscous bestellt, bekamen aber vor Erschöpfung nach der Suppe nur einen halben Teller herunter und verzichteten noch rechtzeitig auf den Nachtisch. Schade um das gute Essen – aber ich glaube nicht, dass es im Müll gelandet ist. 

Keine Mahlzeit im ländlichen Marokko ohne mauzende Katze neben dem Tisch, die auch bemüht einen flehenden Blickkontakt aufzubauen.

Auf dem Pass

Von wegen „auf gleicher Höhe“. Wir trafen am Abend in unserer Herberge Patrick, der in den italienischen Alpen aufgewachsen ist und mit dem wir uns zur Akklimatisierungswanderung verabredeten. Er war bereits Marokko-erfahren und auch auf dem Toubkal gewesen. Außerdem war er vor wenigen Tagen von einer Umwanderung des Bergmassivs zurückgekehrt.

Als Testlauf packte ich unseren Tourenrucksack recht voll, um nicht erst bei der Besteigung Probleme bei der Beladung zu entdecken. In zwei Stunden erklommen wir anschließend – Patrick voran – den Pass 700m über uns am Ende des Tals. Dort oben gaben wir klein bei, wünschten wir ihm noch eine schöne Wanderung und drehten nach einer Rast wieder um. Wir hatten nun großen Respekt vor dem Terrain und der Aufgabe der nächsten zwei Tage.

Abends erzählte uns Patrick, dass er anschließend noch 200m ab- und weitere 1000 Meter aufgestiegen war um den Berg zu umrunden. 

Als Abendessen wurde uns ein weiteres Mal die klassische Tajine mit Brot serviert. So langsam sind wir sie allerdings über, denn bisher gab es kaum Variation der Zutaten und auf meiner Topliste aller Spezialitäten der Welt landet sie eh nicht auf einem oberen Platz. Die Variation mit Couscous ist deutlich besser, muss aber oft vorbestellt werden.

Lange bevor es auch um uns herum still wurde krabbelten wir in unsere Schlafsäcke.