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Wikileaks – Kein moralischer Ausverkauf!

In vielen Medien wird es heute so dargestellt, dass sich eine Gruppe Jugendliche und Krawallbrüder bei den DoS-Attacken auf Paypal, Visa und Mastercard eingeschossen habt. Selbst wenn man es sich nicht ganz so einfach macht, gibt es doch oft den Vorwurf, dass der ausgerufene „Cyberkrieg“ das Ende von demokratischen Strukturen im Internet herauf beschwört oder gar eine Selbstjustizmentalität offenbart – die Anarchie im Netz?

Damit liegt man meiner Meinung nach komplett daneben. Wenn man die Wahrnehmung im Vorfeld der Aktion betrachtet, stellt sich diese wie folgt da:

Wikileaks wird innerhalb kürzester Zeit der finanzielle Hahn zugedreht (Visa, Mastercard, Paypal) und  um Domain sowie Webspace gebracht. Parallel der Haftbefehl für den einzigen in der Öffentlichkeit wahrgenommenen Sprecher und die Brandmarkung als Terrorist und Landesverräter.

Betrachtet man dies nun wiederum aus Sicht des Internets – das ja durch seine Internationalität keine geographischen Grenzen kennt – dann kann man dies nur als einen Angriff auf die Infrastruktur und Meinungsfreiheit von Wikileaks interpretieren. Selbst wenn die Festsetzung von Assange einen anderen Hintergrund hat (nämlich den Vorwurf der Vergewaltigung) und die beteiligten Unternehmen aus vorauseilendem Selbstschutz und nicht nach Anweisung gehandelt haben, so ist die Bedrohung trotzdem real und einem Angriff gleichzusetzen.

Den Vorwurf, dass auf einen direkten Angriff nicht mit reinen Meinungsäußerungen und lustigen Flashbannern wie bei der Vorratsdatenspeicherung geantwortet werden kann, würde jedes Land der Erde unterschreiben. Und als eigenes Land fühlen sich nun einmal die netzafinen User, da sie alltäglich die in ihren Augen fließenden geografische Grenzen überwinden.

Und nach dieser Kraftprobe flacht der Konflikt ja nun auch wieder ab und lässt den eigentlichen Dialog zu. Die Operation Leakspin möchte sich nun um die Aufarbeitung der veröffentlichen Dokumente bemühen, zu der die Presse bisher nicht gekommen ist bzw. gar nicht erst gewillt war. Das sich die ersten Meldung in deutschen Raum auf die verschlagworteten Verunglimpfungen hiesiger Politiker zusammenfassen ließ, sagt bereits viel aus – wie ich finde – und hat mich zunächst zum Schluss kommen lassen, dass die Relevanz der Veröffentlichung dieses mal vernachlässigbar ist. Wie viel daraus wirklich zu entnehmen ist kommt erst jetzt nach und nach ans Tageslicht.

Außerdem wird durch Leakspin die Rolle von Wikileaks nachhaltig eingeschränkt, da die Auswertung nicht mehr von Einzelnen vorgenommen wird.

Fazit: Ich würde nicht alles unterschreiben was gerade so im Netz vor sich geht, kann aber vieles davon sehr gut nachvollziehen. Das Prinzip des offenen Informationsflusses wird ganz sicher nicht mit Wikileaks untergehen, sollte es soweit kommen.

Let’s talk about Wikileaks

Ich bin mir nicht sicher, was ich von den letzten Veröffentlichungen auf der Plattform halten soll.

Die Pagernachrichten vom 11. September 2001 waren ein Stück Zeitgeschichte, die anderenfalls im Nirwana verschwunden wären. Die Dokumente über die Kriege in Afghanistan und Irak, bringen Transparenz in ein Tabuthema, bei dem die Informationen sonst nur über die offizielle Propaganda beider Parteien zu beziehen sind. Es gibt wohl nichts Wichtigeres, als in einer kriegerischen Auseinandersetzung unter Beteiligung des eigenen Landes mit den korrekten Informationen versorgt zu werden. Noch besser wenn die Presse die Rohdaten sogar selber interpretieren kann.

Wenn irgendwo jemand auf der Welt zu sicher selber sagt: „Das hier stinkt zum Himmel und wird vertuscht, obwohl es die Menschen erfahren müssten!“ hat er nun eine Plattform an die er sich wenden kann ohne gleich von der Presse zerfleischt zu werden. Wikileaks als Mittelsmann.

Allerdings hat sich Wikileaks damit eine Gatekeeper-Rolle unter den Nagel gerissen, die schwierige Entscheidungen beinhaltet.

Was ist von ausreichender Wichtigkeit?
Sind die zugespielten Informationen authentisch?
Handelt es sich evtl. um reines Denunziantentum?

Alles Entscheidungen die im Verborgenen getroffen werden müssen, da die Masse nach jedem noch so kleinen Informationshäppchen lechzt. Eine Aufgabe für eine unfehlbaren moralische und unangreifbare Instanz!

Kann man eine solche Aufgabe nicht auch durch das Internet-Kollektiv wahrgenommen werden?  In diesem Punkt habe ich so meine Zweifel, obwohl ich nur zu gerne an die kollektive Vernunft glauben würde. Blindes Nachplappern und Gerüchte führen aber gerade im Internet oft zu einer unheimliche Dynamik, die ihre eigenen Regeln aufstellt.

Um diese Abläufe verstehen zu können, würde ich sogar in Betracht ziehen, mal bei den Kölner Soziologen auf der anderen Rheinseite vorbeizuschauen. Als Informatiker bekommt man die ja nur selten zu Gesicht. 😉

Der Wikileaks-Sprecher  Julian Assange hat sich in seiner Rolle ins Rampenlicht gestellt und droht gerade darin unterzugehen. Ein internationaler Haftbefehl wegen Vergewaltigung (entweder Verschwörung oder die Leiche im Keller, die er sich nicht erlauben kann). Nationalisten aus vielen Ländern wollen ihm an den Kragen und Regierungen sind  zwischen öffentlicher Korrektness und Rachegelüsten hin- und her gerissen.

Den Mächtigen auf die Füße zu treten macht offensichtlich weder Freude noch Freunde.

Die aktuellen Versuche dem Projekt Domain und Webspace zu nehmen haben im Netz so gut wie keine Auswirkungen. Der Name ist Programm, ein paar Gigabyte Daten überall schnell zu hosten und Vollzeitmitarbeiter mit genügend Enthusiasmus durch die Brisanz der Daten und zur Not den Zuwendungen durch Spenden und die Presse immer zu finden. Die Katze ist einfach aus dem Sack.

Ich frage mich, ob die drohende Veröffentlichung von Interna in Zukunft nur die innere Kommunikation in Regierungen und Unternehmen beeinflusst oder wirklich einen positiven Einfluss auf Transparenz und Ehrlichkeit hat.

Meine Einschätzung zu den Zeugnissen der US-Diplomatie  aus der letzten Woche: Fast nur dreckige Wäsche.

Es wurden Gefühle verletzt, weil in vielen Fällen nun das Schwarz auf Weiß auf dem Papier steht, was beiden Seiten längst klar war, aber an der Öffentlichkeit weh tut. Wer sich Diplomat nennt, sollte empathisch genug sein, sein Gegenüber auch in der Hinsicht einordnen zu können, welche Ziele dieser verfolgt und wie er selbst von ihm wahrgenommen wird. Das Gefährliche oder sagen wir lieber das Unangenehme, ist die verletzte Ehre, wenn die eigenen Schwächen und die „kleinen weißen Lügen“ offen gelegt werden – „das Gesicht zu verlieren“ wie man so schön sagt.

Auf die nächste Veröffentlichung aus dem Bankensektor bin ich trotzdem sehr gespannt.

Verräter, Terrorist oder Robin Hood? Ohje.