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Krawalle beim G8 Gipfel

Ich schreib einfach mal meine Einschätzung der Lage – basierend auf den unzähligen Zeitungsberichten, die durch die Medien gehen.

Wer sind die Demonstranten?

Es ist keine einheitliche Gruppe. Der große Nenner ist einzig und allein das Bestreben, beim G8-Gipfel ihr Kritik sichtbar an die Staatsführer und Öffentlichkeit weiterzuleiten. Jeder Einzelne hat seine individuellen Beweggründe vor Ort zu sein. Das geht von „Lasst Bush nicht die Umweltschutzbestrebungen des letzten Jahrzehnts kaputt machen.“ über „Ihr wollt Armut und Elend in der Welt bekämpfen, ohne selber Abstriche zu machen.“ und „Soll das etwa Demokratie sein, wenn ihr euch für etliche Millionen Euro wie in einer Festung verschanzt?“ bis hin zu „Ihr steht für ein imperialistisches System, dass wir nicht wollen und dem wir uns entgegen stellen werden„.

Viele sind außerdem in diversen Organisationen – haben sich zu anderen Menschen mit ähnlicher Überzeugung gesellt. Diese Organisatoren wiederum haben sich im Vorfeld des G8-Gipfels zu einem Aktionsbündnis zusammengeschlossen, um den Gegebenheiten vor Ort – an einem Strang ziehend – etwas entgegenzusetzen.

Dies geschah meiner Meinung nach deshalb, weil die Mehrheit die angekündigten Sicherheitsmaßnahmen ( Versammlungsverbot, massives Polizeiaufgebot, Sicherheitszaun, …) als eine nicht hinzunehmende Einschränkung ihrer Meinungsfreiheit aufgefasst hat. Und je aussichtsloser die Lage ist sich Gehör zu verschaffen, desto besser muss die Demonstrationsbewegung organisiert sein, um sichbar zu bleiben.

Angelockt von der Polizei folgten auch diejenigen den Aufrufen, die sich sonst lieber nach Fussballspielen die Köpfe einschlagen. Und da dieses Klientel eine lange Anreise nicht scheut, formiert sich vor Ort eine schwarze Horde, die ihre Meinung nicht durch friedlichen Protest, sondern im Strassenkampf durchsetzen will – sofern die Vermummten mit einer solchen überhaupt angereist sind. Um nicht gleich bei Kontrollen abgefangen zu werden, mischt man sich unter die Masse der friedlichen Demonstranten und bildet erst im letzten Moment einen Block. In unmittelbarer Nähe zur Kundgebung kann man sich schnell in der Masse absetzen und die Polizei hat Schwierigkeiten mit ihre Gegenmaßnahmen an der richtiger Stelle anzusetzen. In einer Tränengaswolke wird der friedlichste Mensch zumindest ungehalten. Hoffen wir, dass in den nächsten Tagen die Übersicht nicht gänzlich verloren geht und die Polizeikräfte nicht plötzlich als Gegner angesehen werden. Der Vergleich mit einem „Katz‘ und Mausspiel“ gefällt mir bei der geplanten Blockierung der Zuwege sehr viel mehr. Hoffen wir auch, dass auch die Bereitschaftspolizei im Vorfeld in den Kasernen aufgeklärt wurde, dass sie es nicht mit einer homogenen gewaltbereiten Masse zu tuen bekommen werden.

Zum Auftakt standen bereits 2000 Randalierern 40.000 – 50.000 Demonstranten gegenüber. Trotzdem nimmt die Öffentlichkeit nur die Gruppe der Protestler wahr, die Polizisten mit Steinen bewerfen, Autos anzünden und die Stadt verwüsten. Diese Fotos werden es leider am Ende sein, die sich in den Köpfen festsetzen – da können sich Journalisten, Politiker und Sprecher der beteiligten Organisatoren den Mund noch so fusselig reden.

Es macht mich wirklich traurig, dass man sich der Medien heute so leicht bedienen kann, um vom eigentlichen Thema abzulenken. Und um die Situation gänzlich eskalieren zu lassen, wird noch schnell der mögliche Einsatz der GSG-9 gegen die Randalierer ins Gespräch gebracht und begeistert aufgegriffen. *kopfschüttel*

Ich würde mir wünschen, dass die richtigen Personen möglichst bald vor dem Richter landen und die übrigen Demonstranten ihre Ziele so verfolgen, dass kein Mensch zu Schaden kommt.
Ich möchte bitte Bilder von einer singenden Straßenblockade sehen, vor der entspannte wenngleich rätselnde Polizisten stehen, die sich wundern wie sie in 2 Minuten dort entstanden ist.
Politiker, die aus den Fenster schauen, weil der Nachschub an Minitomaten für das nächste Abendbankett irgendwo auf dem Weg hängengeblieben ist.
Vielleicht fällt ihnen ja dann die Menschenmenge am Horizont auf, die sich gerne durch den Sicherheitszaun und den Stacheldraht in die Diskussion einbringen würde?

Türkischer Fussball?

Wer in den letzten Tagen das Gerangel um das Spiel der Türkei gegen die Schweiz in der WM-Qualifikation auch nur ansatzweise mitbekommen hat, dem steht wahrscheinlich jetzt noch der Mund offen. Krawall gibt es, besonders im Fussball, ja in fast jedem Land, doch in diesem Fall ziehen die Ereignisse getreu dem Moto „Fussball ist unser Leben“ weitere Kreise. Für die Öffentlichkeit scheint sich das Land nämlich in diese Tagen in einen „Babarenstaat“ verwandelt zu haben, wenn man sich auf Presse und Fernsehberichte verlässt.

Also was ist in der Türkei passiert?

Die Schweiz qualifizierte sich mit 2:4 im Rückspiel (trotz der Niederlage) für die WM in Deutschland und warf die türkische Nationalmannschaft damit aus dem Rennen. Das Bangen hatte erst in der Nachspielzeit ein Ende, in der es der Türkei fast gelang die notwendigen 4 Punkte zu holen. Die Enttäuschung der Gastgeber entlud sich anschließend an den Gästen, wie Augenzeugen berichteten.

Während die Schweizer Spieler auf der Flucht vor Flaschen, Steinen und Feuerzeugen zu den Kabinen rannten, sollen sie von gegnerischen Spielern und Sicherheitsleuten angegriffen und verprügelt worden sein.

„Jeder musste um sein Leben rennen […] Sicherheistleute, und türkische Spieler haben uns angegriffen.“
( Marco Streller, VFL Bochum)

Es ging drunter und drüber. Einige haben am Boden gelegen und wurden getreten.
(Tranquillo Barnetta)

Ein Interview der ARD wird von einem Tumult unterbrochen und der Kameramann vom Sicherheitspersonal geschlagen, als sich dieser umdrehen will, um das Geschehen zu filmen.

Begrüßt wurden die Schweizer im Vorfeld mit einem Banner „Welcome to Hell“ und rohen Eiern.
Schon bei der Abfertigung im Flughafen gab es eine ganze Reihe von Schikanen: Drogenkontrollen und ewig lange Passabfertigung, so dass das erste Training ausfallen musste.
Das ganze begleitet von Hasschören und fliegenden Gegenständen.

Die örtlichen Pressestimmen nach den Vorfällen:

„Wir konnten die letzte Hürde auf dem Weg zur WM nicht nehmen. Dafür haben es die hässlichen Schweizer geschafft, nach Deutschland zu fahren. Sie haben wieder provoziert und für Rangeleien gesorgt.“
(Star)

„Mit ihren Provokationen haben uns die Schweizer in eine Falle gelockt. Über das Ende muss die FIFA entscheiden.“
(Fanatik)

„Die Provokationen der Schweizer haben uns zu Fehlern verleitet. Wir haben Tränen in den Augen und Schmerzen im Herzen.“
(Sabah)

Da scheint sich ja augenscheinlich ein ganzen Land gegen die ausländischen Besucher verschworen zuhaben. Zollbeamte, Bevölkerung (Fans), Sicherheitskräfte, Spieler und die Presse? Und dann gab es da ja noch ähnliche Vorfälle im Jahre 2003 bei einem Spiel der U21.

Das passt aber einfach alles zu schön beieinander, oder? Der neue Vorurteilbaukasten steht also in den Regalen und ein einziges Fußballspiel verunreinigt das Ansehen der Türkei wahrscheinlich nachhaltig.

Und warum ist das ganze nun passiert?

Die Mischung hat es wohl gemacht. Ein gekränkter Nationalstolz (beim Hinspiel wurde die türkische Nationalhymne ausgepfiffen) , Streitigkeiten der Mannschaften im Hinspiel und die verwirrten Gefühle rund um die, in letzter Sekunde, verlorene Qualifikation waren es wohl, die die Türkei nun sogar die Teilnahme an der übernächsten WM kosten könnte. Die Sanktionen der Fifa-Disziplinarkommission werden zum 9. Dezember erwartet.

Ich bin mir sicher, dass sich die Bilder unter den richtigen Umständen auch in anderen Ländern abspielen können, wo doch gerade die zentraleuropäischen Hooligans berüchtigt sind und hier Fussballfanatismus keine Seltenheit ist. Zusammen mit der geballten Enttäuschung von 55.000 Stadionbesuchern kommen da scheinbar immer unliebsame Urinstinkte hoch.

Quellen:

  1. nachrichten.at – Spielübersicht
  2. nachrichten.at – Pressestimmen
  3. sport.ard.de – Augenzeugenberichte
  4. sport.ard.de – Eventbox
  5. diePresse.at – Die Ankunft
  6. Spiegel – Skandal in Istanbul