Let’s talk about Wikileaks

Ich bin mir nicht sicher, was ich von den letzten Veröffentlichungen auf der Plattform halten soll.

Die Pagernachrichten vom 11. September 2001 waren ein Stück Zeitgeschichte, die anderenfalls im Nirwana verschwunden wären. Die Dokumente über die Kriege in Afghanistan und Irak, bringen Transparenz in ein Tabuthema, bei dem die Informationen sonst nur über die offizielle Propaganda beider Parteien zu beziehen sind. Es gibt wohl nichts Wichtigeres, als in einer kriegerischen Auseinandersetzung unter Beteiligung des eigenen Landes mit den korrekten Informationen versorgt zu werden. Noch besser wenn die Presse die Rohdaten sogar selber interpretieren kann.

Wenn irgendwo jemand auf der Welt zu sicher selber sagt: „Das hier stinkt zum Himmel und wird vertuscht, obwohl es die Menschen erfahren müssten!“ hat er nun eine Plattform an die er sich wenden kann ohne gleich von der Presse zerfleischt zu werden. Wikileaks als Mittelsmann.

Allerdings hat sich Wikileaks damit eine Gatekeeper-Rolle unter den Nagel gerissen, die schwierige Entscheidungen beinhaltet.

Was ist von ausreichender Wichtigkeit?
Sind die zugespielten Informationen authentisch?
Handelt es sich evtl. um reines Denunziantentum?

Alles Entscheidungen die im Verborgenen getroffen werden müssen, da die Masse nach jedem noch so kleinen Informationshäppchen lechzt. Eine Aufgabe für eine unfehlbaren moralische und unangreifbare Instanz!

Kann man eine solche Aufgabe nicht auch durch das Internet-Kollektiv wahrgenommen werden?  In diesem Punkt habe ich so meine Zweifel, obwohl ich nur zu gerne an die kollektive Vernunft glauben würde. Blindes Nachplappern und Gerüchte führen aber gerade im Internet oft zu einer unheimliche Dynamik, die ihre eigenen Regeln aufstellt.

Um diese Abläufe verstehen zu können, würde ich sogar in Betracht ziehen, mal bei den Kölner Soziologen auf der anderen Rheinseite vorbeizuschauen. Als Informatiker bekommt man die ja nur selten zu Gesicht. 😉

Der Wikileaks-Sprecher  Julian Assange hat sich in seiner Rolle ins Rampenlicht gestellt und droht gerade darin unterzugehen. Ein internationaler Haftbefehl wegen Vergewaltigung (entweder Verschwörung oder die Leiche im Keller, die er sich nicht erlauben kann). Nationalisten aus vielen Ländern wollen ihm an den Kragen und Regierungen sind  zwischen öffentlicher Korrektness und Rachegelüsten hin- und her gerissen.

Den Mächtigen auf die Füße zu treten macht offensichtlich weder Freude noch Freunde.

Die aktuellen Versuche dem Projekt Domain und Webspace zu nehmen haben im Netz so gut wie keine Auswirkungen. Der Name ist Programm, ein paar Gigabyte Daten überall schnell zu hosten und Vollzeitmitarbeiter mit genügend Enthusiasmus durch die Brisanz der Daten und zur Not den Zuwendungen durch Spenden und die Presse immer zu finden. Die Katze ist einfach aus dem Sack.

Ich frage mich, ob die drohende Veröffentlichung von Interna in Zukunft nur die innere Kommunikation in Regierungen und Unternehmen beeinflusst oder wirklich einen positiven Einfluss auf Transparenz und Ehrlichkeit hat.

Meine Einschätzung zu den Zeugnissen der US-Diplomatie  aus der letzten Woche: Fast nur dreckige Wäsche.

Es wurden Gefühle verletzt, weil in vielen Fällen nun das Schwarz auf Weiß auf dem Papier steht, was beiden Seiten längst klar war, aber an der Öffentlichkeit weh tut. Wer sich Diplomat nennt, sollte empathisch genug sein, sein Gegenüber auch in der Hinsicht einordnen zu können, welche Ziele dieser verfolgt und wie er selbst von ihm wahrgenommen wird. Das Gefährliche oder sagen wir lieber das Unangenehme, ist die verletzte Ehre, wenn die eigenen Schwächen und die „kleinen weißen Lügen“ offen gelegt werden – „das Gesicht zu verlieren“ wie man so schön sagt.

Auf die nächste Veröffentlichung aus dem Bankensektor bin ich trotzdem sehr gespannt.

Verräter, Terrorist oder Robin Hood? Ohje.

3 Gedanken zu „Let’s talk about Wikileaks

  1. ebook leser

    Schau an, was man so durch die wikileaks Dokumente alles erfährt. So hat US Vizepräsident Joe Biden Deutschlands Rolle in Afghanistan heftig kritisiert. Biden wird in einer als „Geheim“ eingestuften Depesche mit den Worten zitiert, Deutschland habe in Afghanistan „völligen Mist gebaut bei der Polizeiausbildung“. Die Depesche vom 28. März 2009 findet sich in den Dokumenten von wikileaks. Weiterhin ist zu lesen „Mit der Ausnahme des Vereinigten Königsreichs und einiger anderer sind sehr wenige Europäer (in Afghanistan) aktiv“, sagte Biden. Im Angesicht knappe Kassen frage ich mich, warum sind wir dann noch in Afghanistan. Da könnte man doch die Deutschen sofort und noch dazu ohne Gesichtsverlust abziehen.

  2. Jim

    Das Konzept von WikiLeaks funktioniert erst dann wenn Informationen wirklich frei sind. Das erfordert eine andere Weltordnung und hey vielleicht werden wir ja Glück haben. Aber im Moment nützen die Informationen nur Wenigen und schaden Vielen. Aber es ist ein fairer Preis für den Weg zu mehr Selbstbestimmung und Transparenz.

  3. Christian Beitragsautor

    @Jim
    Grundsätzlich würde ich dir da zustimmen. Es bleibt abzuwarten, wer sich aufgrund der Entwicklung nun einigelt und wer die Dinge nimmt wie sie kommen. Das heißt: Wer in seiner Rolle nun grundsätzlich moralisch handelt und nicht nur, wenn einem dabei auf die Finger geschaut wird.

    Menschliche Kommunikation hat meiner Meinung nach aber auch viele Aspekte, für die eben auch etwas Geheimniskrämerei erlaubt sein muss.

    Innovation als Beispiel beinhaltet manchmal sich ungestört in eine neue Richtung entwickeln zu können, ohne das einem Dritte gleich wieder die Fahrt aus dem Segel nehmen.

    Frei zugängliche und unverfälschte Information ist definitiv etwas, was diese Welt braucht. Aber ich wünsche mir dabei immer auch eine gewisse „Relevanzschranke“ nach Unten.

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