Archiv für den Monat: April 2020

Der innere Hamster

Es schaudert mich doch etwas, wenn mein Blick auf die leeren Regale im Supermarkt fällt in denen einst die große Auswahl diverser Stärken, Weichheitsgrade und Verpackungsgrößen lagen. Natürlich hatte ich pro Kette nur genau eine präferierte Marke (nämlich die günstigste 8er in drei Lagen) die fast ohne Ausnahme in den Einkaufswagen wanderte.

Daheim sitze ich derzeit auf einem Schatz von derzeit noch 12 10 Rollen, von denen jede einzelne noch aus der Zeit VOR der Pandemie stammt – Mistgabel und Fackel könnt ihr also wieder einstecken! Eine spontane Eingebung ließ mich an einem kalten Tag im Januar oder Februar zum ersten Mal in meinem Leben zu 24 Rollen greifen. Eine Entscheidung für die ich mich damals rechtfertigen musste. 🙂

Ich habe mich in den letzten Wochen einige Male dabei erwischt, beim Einkauf von frischen Lebensmitteln einige Konserven zusätzlich in dem Einkaufswagen zu legen. Keine ganzen Kartons mit Erbsen oder Sauerkraut, aber doch zwei Dosen von diesem und eine Dose jenem, um dieses ungute Gefühl in Schach zu halten, dass die geplünderten Regale auslösen.

Ich möchte auf keinen Fall die jüngst veröffentliche Statistik zu den Hamsterkäufen als Einkaufsliste verstehen, aber mit wenig Platz im Tiefkühlfach und ohne Bedarf an alkoholischen Getränken und Tiernahrung bleiben mir nicht mehr viele Produktgruppen, um der eigenen Sorge über Versorgungsengpässe mit Spontankäufen Einhalt zu gebieten.

Wir pflegen unsere Lebensmittel in einem offenen Regal aufzubewahren. Das dient zum einen als Quelle der Inspiration beim Kochen, zum anderen findet man so keine Überraschungen unter einer dicken Schicht Weizentortillas aus dem letzten Aldi Aktionssortiment. Etwa den abgelaufenen Rotkohl, den du aus Verdruss über das verregnete Weihnachtsfest 2018 für einen Festessen-Marathon unter der Woche gekauft, dabei aber deine Langzeit-Toleranz gegenüber Rotkohl maßlos überschätzt hast. Obwohl derzeit einige Etiketten von den darüber gestapelte Konserve verdeckt sind, raubt mir kein schlechtes Gewissen den Schlaf. Mehr als 20% zusätzlich haben wir trotzdem nicht in der Wohnung und ich verkaufe auch kein 1050 Mehl für 10€ das Kilo auf Ebay.

Unsere Zwillinge sind der Grund warum ich beim Thema Babynahrung dann doch meine Nagezähne ausgefahren habe. Unter allen Eventualitäten wäre das Fehlen der Babynahrung für unseren Alltag schon sehr gravierend. Davon abgestuft könnte bereits der gezwungene Wechsel des Herstellers den häuslichen Frieden empfindlich stören. Nach kurzer Einkaufstour bei bereits leeren Platzierungen gleich zu Beginn der Krise kommen wir nun bereits drei Wochen ohne Nachkauf aus und haben ohne Zugzwang auch ein anderes Pülverchen testen können, während noch ein letzter Karton ungeöffnet auf dem Kühlschrank steht. Als Vater verschieben sich die Prioritäten.

Ob denn der nächste (vermummte) Einkauf dann der Odyssee gleicht, die ich befürchtet hatte, aber unbedingt vermeiden wollte, bleibt abzuwarten. Die Absatzlücke wie manche Hersteller von Toilettenpapier befürchten, sehe ich nicht kommen. Bei ausreichender Verfügbarkeit werde ich mir ein Notfallpaket in den Keller legen – die nächste Krise kommt bestimmt und Papier ist geduldig. Es ist ja erst April …

Und die Welt dreht sich weiter

Ich kann aktuell nicht sagen ob die letzten zwei Jahre wie im Fluge vergangen sind oder sich wie eine Ewigkeit anfühlen. Die subjektive Wahrnehmung scheint scheinbar stark von der aktuellen Situation abzuhängen, in der man sich befindet.

Wir haben in dieser langen Zeit unsere Welt auf den Kopf gestellt. Unsere erste gemeinsame Wohnung aufgegeben und nur wenige Meter entfernt eine größere Wohnung bezogen. In dieser stand für geraume Zeit ein letztes Zimmer leer, von dem wir auf Nachfrage immer behaupteten: „Wir wissen noch nicht was wir damit machen wollen. Vielleicht ein Esszimmer.“

Für unsere Umgebung wurde dann doch mit etwas Vorlauf klar, welchem Zweck dieser Abstellraum letztendlich dienen sollte. Vor vier Monaten – kurz vor Weihnachten – kamen unsere Zwillinge auf die Welt und bestimmen seitdem unser Leben.

Wir erobern uns mit Fortschritten und Rückschlägen beim Abendritual nach und nach wieder etwas persönliche Zeit zurück. Nach einem ersten Monat Elternzeit direkt nach der Geburt ist es bei mir die Arbeit in Teilzeit bzw. der Arbeitsweg, der mir Raum außerhalb der Routine eröffnet. Einen Luxus wie mir nur allzu klar ist.

Mit der aktuellen Epidemie und den Ausgangsbeschränkungen sind leider alle sozialen Kontakte ins Digitale verschoben worden und wir beschränken uns wirklich auf die notwendigsten Kontakte um den Haushalt in Gang zu halten.

Dies ist aktuell besonders deshalb ein Jammer, da unsere beiden Sonnenscheine nun ihre ersten spielerischen Übungen und auch Erfahrungen mit dem nassen Element machen sollten. Dies ist in Gesellschaft zu Altersgenossen aktuell nicht mehr möglich.

Die Großeltern werden mit einen Flut an Bildern und Videos auf dem laufenden gehalten.

Als frischgebackene Eltern wäre der persönliche Kontakt zu „Leidensgenossen“ ebenso hilfreich. Es wird spannend wie nach der Lockerung alles wieder in gewohnte Bahnen zurückfällt. Immerhin türmt sich derzeit die Welle vor Begehrlichkeiten und verpassten Gelegenheiten immer weiter auf und trifft in der Brandung auf den normalen Bedarf an Unterhaltung, Verabredungen, Freizeit und Förderung.

Vielleicht sollte man sich jetzt schon vornehmen nach dem Ende der Ausgangsbeschränkung die ersten Wochen(enden) daheim zu bleiben, während draußen die Kompensation tobt. Ich sehe überfüllte Freizeitparks und verstopfte Flaniermeilen.

So fordernd zwei Säuglinge daheim auch sind, so sehr füllen sie den Tag (bzw. meinen frühen Morgen, Nachmittag und Nacht) und vertreiben dabei jeden Anflug von Langeweile. Entweder weil sie ihre besten Seiten zeigen oder die eigene Geduld strapazieren.

In all der Ungewissheit und mit den morgendlichen Rändern unter den Augen, scheint der Jahreswechsel in weiter Ferne und doch kann ich jeden Tag überaus zufrieden beginnen und schließen.

Passt auf euch auf da draußen.