Das Problem mit den Mangroven

Vor über vier Jahren ist Andrea aus dem Familienurlaub in Thailand zurückgekommen und hat mir eine Tüte mitgebrachte, die diesem Blog eine Zeit lang den Unteruntertitel „Pflanzen & Co“ verpasst hat. Kurz bevor wir zusammengezogen sind, hatte ich mein Zimmer in ein halbes Tropenhaus verwandelt. Aus Platzproblemen sind die besonders exotischen Pflanzen wie beispielsweise die Mangroven nicht mit umgezogen.

Wer selber „schwierige“ Pflanzen am Leben erhält wird nachvollziehen können, dass ihnen eine Wochenendbeziehung nicht gut bekommt. Das tägliche Einsprühen mit Wasser fällt weg und heimische Plagegeister kommen auch ohne Einladung ist Haus. Das schlechte Gewissen seine Pflanzen im Stich zu lassen wächst genau so schnell, wie das schlechte Gewissen um die künstliche Beleuchtung und Heizung, die jeden Tag zeit-geschaltet Leistung verbrät, ohne dass man dem Hobby noch nachgehen kann.

Bis auf eine Brillenmangrove hat diese Zeit nichts überstanden, da ich irgendwann schlicht den Stecker gezogen habe. Kein schöner Tag.

Nun habe ich in diesem Urlaub selber kräftig gesammelt und ein sehr ähnliches Paket aus Mangroven und anderen Samen mitgebracht, wie ich es damals überreicht bekommen habe.

Um es kurz einzuschieben: Auf meiner Fensterbank steht ein frisch aufgesetztes Paludarium, das ich mir aus den Resten meiner letzten Pflanzenphase gebastelt habe. Darin bahnt sich kontinuierlich warmes Brackwasser (leichter Salzgehalt) den Weg durch Sand, Kokohum und Blähton – vorbei an diversen „echten“ Mangrovensamen.

Ich weiß, dass ich a) zu viele mitgebracht habe und b) nicht alle behalten werden kann, da sich aus jedem Samen, der seine Aufgabe noch erfüllen kann und überlebt, ein buschiger Baum entwickeln wird. Diese Teufelsdinger sind so robust, dass ich eine große Überlebensquote „befürchte“. Und da ich nicht alle verschenkt bekommen werde, … Ich möchte es nicht aussprechen.

Zur eigenen Gewissenserleichterung und Versuch einer Rechtfertigung möchte ich die Umstände meiner Sammelwut näher beleuchten:

Die Dinger sind in Thailand Abfall. Ja, Müll. Sie liegen zu Hunderten und Tausenden zwischen Plastik- und Styropormüll an den Stränden – am äußersten Rand des Sandes. Die Flut hat sie dort abgeladen, dass die Sonne sie dort verdorren kann, wenn die Sandflöhe nicht vorher ihre Zähne hineinbohren. Das zu ihrem Schicksal in der touristischen Nebensaison.

In der Hochsaison werden die Strände täglich gesäubert um den Eindruck des perfekten Strandes aufrecht zu erhalten. Was vorher schon Müll war, landet nun auf eben diesem und irgendwo auf der Deponie.

Da schlägt mein grünes Helfersyndrom voll zu. Ab liebsten hätte ich sie alle eingesammelt und eigenhändig an einem passenden Ort wieder eingepflanzt. Nur sind diese Ort bis ans Wasser bewachsen – und zwar mit Mangroven, die sich vor neuen Samen nur so biegen. Und in den Kanälen dazwischen schwimmt eine ganzer Generation einer ungewissen Zukunft auf offener See entgegen. Die Adoption ins Ausland war der einzige Weg, auch wenn sich dies aus meiner Sicht so falsch anfühlt, wie wenn sich ein Promi Kinder von allen Kontinenten zusammenkauft.

Außerdem verkauft der einzige mir bekannte Händler im deutschsprachigen Bereich die Samen zu solch saftigen Preisen, dass ich hier ein halbes Vermögen liegen hätte. Man muss halt einiges an Technik auffahren, wenn das Klima nicht stimmt. Es ist noch kein Mond-Habitat aber fast. Das verstärkt das Gefühl etwas mit „Wert“ wegwerfen zu müssen noch zusätzlich.

Sobald das Problem akut wird, suche ich nach Abnehmern mit Mut.

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